Brüssel (AP) Im Kampf gegen Klimawandel und Wirtschaftskrise steht die EU
vor einem Offenbarungseid. Auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel ab (morgigen)
Donnerstag müssen die EU-Staats- und Regierungschefs beweisen, dass die
angekündigten Konjunkturprogramme und Klimaschutzziele keine leeren
Versprechen sind. «Die Bürger werden Entschuldigungen nicht akzeptieren,
wenn unsere wichtigsten Politiker sich nicht einigen», warnte
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Dienstag. Im Kampf gegen die
globale Erwärmung droht sich die EU zudem vor der gesamten Welt zu
blamieren: Wenn sie ihr Klimaschutzpaket nicht bis Freitagmorgen in
trockene Tücher bringt, steht sie bei den internationalen
Klimaschutzverhandlungen in Posen (Poznan) mit leeren Händen da. Das hätte
fatale Folgen: Wenn die EU nicht mit gutem Beispiel vorangehe, «werden die
Amerikaner und die Chinesen überhaupt keine Anstalten machen, mit uns
zusammenzuarbeiten», warnte ein ranghoher Regierungsbeamter in Berlin am
Mittwoch.Zwar hat sich die EU schon im März 2007 verpflichtet, ihren
Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu
drücken. Der Weg zu diesem Ziel ist aber noch heftig umstritten. Auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel, unter deren EU-Ratspräsidentschaft die
Klimaschutzziele beschlossen wurden, stellte zuletzt die Interessen der
Industrie in den Vordergrund: Der EU-Gipfel werde «keine
Klimaschutz-Beschlüsse fassen, die in Deutschland Arbeitsplätze oder
Investitionen gefährden. Dafür werde ich sorgen», sagte Merkel Anfang der
Woche der «Bild»-Zeitung.Nachdem die Bundesregierung bereits eine
Verschiebung der verbindlichen CO2-Grenzwerte für Autos erreicht hat, will
sie jetzt Erleichterungen für die Industrie durchboxen. Anders als bei den
Pkw geht es hier aber nicht um den Verzicht auf Klimaschutzauflagen an sich
- sondern darum, wer dafür bezahlt.Streit über EmissionshandelDer Streit
dreht sich um die Ausgestaltung des EU-Emissionshandels. Die
Bundesregierung ist zwar damit einverstanden, die Zahl der EU-weit
verfügbaren Emissionszertifikate zu vermindern und die Unternehmen damit zu
einer Reduzierung ihres Treibhausgas-Ausstoßes zu zwingen. Berlin wehrt
sich aber dagegen, dass die bislang überwiegend kostenlos ausgegebenen
Zertifikate in Zukunft versteigert werden sollen. «Wir reden ausschließlich
darüber, ob die Zertifikate gekauft werden oder ob sie kostenlos zugeteilt
werden, und wenn ja, für wen», hieß es am Mittwoch in Berlin.Nach dem
ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission sollten spätes tens 2020 alle
Zertifikate versteigert werden. Dies wäre ein zusätzlicher Anreiz für die
Unternehmen, Emissionen einzusparen. Die Bundesregierung befürchtet in
diesem Fall aber eine Abwanderung europäischer Industriebetriebe auf andere
Kontinente - womit weder dem Wirtschaftsstandort noch dem Weltklima gedient
wäre.Berlin will deshalb erreichen, dass die Industrie höchstens 20 Prozent
der Emissionszertifikate ersteigern muss. Besonders energie-intensive
Branchen wie Stahl- und Aluminiumindustrie sollten sogar alle ihre
Verschmutzungsrechte kostenlos erhalten.Osteuropäer gefährden Gleichgewicht
des PaketsEine hundertprozentige Versteigerung von Emissionszertifikaten
unterstützt die Bundesregierung nur auf dem Energiesektor. Das stößt
wiederum in Osteuropa auf Widerspruch: Polen und eine Reihe weiterer
Länder, deren Energie überwiegend in Kohlekraftwerken erzeugt wird,
befürchten einen massiven Anstieg der Strompreise. Wird aber auf eine
Versteigerung von Emissionszertifikaten komplett verzichtet, so entgehen
den EU-Staaten gewaltige Einnahmen - Geld, das eigentlich für
Klimaschutzmaßnahmen in anderen Bereichen ausgegeben werden
sollte.Schlimmer noch: Die Osteuropäer lehnen auch die Spar-Vorgaben für
Straßenverkehr, Privathaushalte und Landwirtschaft ab. Polen, Ungarn,
Rumänien, Bulgarien, die Slowakei, Lettland, Litauen und Estland wollen die
von der Kommission vorgeschlagenen nationalen Klimaschutzziele nicht
akzeptieren. Zugeständnisse für diese Länder würden aber bedeuten, dass
alle anderen mehr tun müssten - sonst ist das Ziel einer EU-weiten
Verminderung der Treibhausgase um 20 Prozent nicht zu halten.Milliarden für
Konjunkturpaket stehen noch in den SternenLösen lässt sich das Problem wohl
nur mit großzügigen Unterstützungszahlungen an Osteuropa, wie
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bereits vor Wochen einräumte. Geld aber
ist derzeit bekanntlich knapp.Mindestens ebenso schwierig wie die
Klimaschutzverhandlungen dürften deshalb die Gespräche über die
Wirtschaftskrise werden. Ob das von der EU-Kommission angekündigte
Konjunkturpaket im Umfang von 200 Milliarden Euro zustande kommt kommt,
steht noch in den Sternen. Nur 30 Milliarden davon können nämlich aus dem
EU-Haushalt und von der Europäischen Investitionsbank (EIB) aufgebracht
werden. Hauptsächlich soll sich das Konjunkturprogramm aus 27 nationalen
Konjunkturpaketen im Umfang von durchschnittlich 1,2 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) zusammensetzen.© 2008 The Associated Press.
Alle Rechte Vorbehalten - All Rights Reserved
Wednesday, December 10, 2008
Subscribe to:
Posts (Atom)